Guadalcanal 1942: Die Insel, die die US-Marines zum Mythos machte - WELT (2024)

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Hollywood bemächtigte sich des Pazifikkrieges, bevor er seinen Höhepunkt überhaupt erreicht hatte. Bereits 1943 drehte Lewis Seiler den Film "Guadalkanal – die Hölle im Pazifik". Wenn sich am Ende die US-Marines von der Insel zurückziehen, machen sie Witze über ihre Kameraden von der US-Army, die ihre Posten einnehmen. Sie selbst werden zu neuen Landungsunternehmen aufbrechen, die Japan am Ende in die Knie zwingen.

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Auf der Salomonen-Insel Guadalcanal im südlichen Pazifik, gut 1000 Kilometer von der Ostspitze Neuguineas entfernt, formte sich im Sommer 1942 der Mythos der Marines. Zwar konnte das United States Marine Corps (USMC) damals schon auf eine mehr als 170-jährige Geschichte zurückblicken. Aber zum Synonym für die Fähigkeit der amerikanischen Weltmacht, an jedem Punkt der Erde mit Elite-Soldaten zuschlagen zu können, wurden die Marines erst in den Schlachten gegen die Japaner im Zweiten Weltkrieg, vor allem in dem fast ein halbes Jahr dauernden Ringen auf Guadalcanal.

Ihren ersten Großeinsatz verdankte die Marineinfanterie der Konkurrenz zwischen Navy und Army. Als nach dem Sieg bei Midway die amerikanische Führung ihre Strategie festzulegen suchte, prallten zwei Konzepte aufeinander. Chester W. Nimitz, Kommandeur der Pazifik-Flotte, wollte über Midway hinaus über die Weiten des zentralen Pazifik auf Japan vorstoßen.

Sprungbrett für die Philippinen

Der Heeresgeneral Douglas MacArthur, dem der südliche Pazifik unterstand und damit die Sicherung Australiens zukam, favorisierte dagegen die Offensive auf die riesige japanische Seefestung Rabaul auf Neu-Britannien als Sprungbrett für die Philippinen, die er im März hatte verlassen müssen. Dem egozentrischen Heeresoffizier dafür wertvolle Großkampfschiffe zu überlassen, war wiederum für die Admiralität ein Albtraum.

Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss. Der Vormarsch sollte zwar im Südosten, über die Salomonen und auf Neuguinea erfolgen. Aber der erste Schlag war als amphibische Aktion der Marine zugewiesen. So kamen ihre Marines ins Spiel. Als die amerikanische Aufklärung entdeckte, dass die Japaner begannen, auf Guadalcanal einen Flugplatz anzulegen, wurde die Insel als erstes Ziel ausgewählt. Die Landung sollte am 7. August 1942 erfolgen.

Umgehend wurde eine Armada aus drei Flugzeugträgern, einem Schlachtschiff und 14 Kreuzern zusammengezogen, um die 19.000 Soldaten der 1. Marinedivision zu ihrem ersten Kriegseinsatz zu bringen. Wie der Historiker Werner Rahn schreibt, war die Vorbereitung derart kurz, dass die Truppen nicht einmal über zuverlässige Karten oder präzise Luftaufnahmen verfügten. Bekannt war nur, dass Guadalcanal 6500 Quadratkilometer groß und von Dschungel überwuchert war, der derart dicht und ungesund stand, dass es kaum Siedlungen gab.

Rivalität zwischen Heer und Marine

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Die Landung gelang ohne größere Probleme, was den Kommandeur der amerikanischen Flugzeugträger allerdings bewog, seine wertvollen Schiffe wieder auf See zurückzubeordern. Die zur Deckung der Landung detachierten US-Kreuzer wurden von der japanischen Flotte daraufhin versenkt, ohne dass diese allerdings Verstärkungen auf der Insel landen konnte. Die wenigen japanischen Bausoldaten verschwanden im Dschungel.

Wie die amerikanischen Streitkräfte prägte auch die japanischen die Rivalität zwischen Armee und Marine (beide verfügten über eigene Luftwaffen). Allerdings besaß die Vereinigte Flotte des Tenno keine eigene Infanterie, war also bei der Abwehr des amerikanischen Vorstoßes auf die Armee angewiesen. Die aber wies den Kämpfen auf Neuguinea eine deutlich höhere Priorität zu als der abgelegenen Urwaldinsel.

Zwar wurden umgehend knapp 1000 Mann auf Guadalcanal gelandet, aber sie erwiesen sich als zu schwach, um sich gegen die Marines durchzusetzen, die mittlerweile den Flugplatz in Henderson Field umbenannt und für ihre Zwecke ausgebaut hatten. Auch konnte die japanische Flotte noch einmal in einem Nachtgefecht ihre Überlegenheit beweisen, als sie vier amerikanische Kreuzer versenkte.

Ein blutiger Abnützungskrieg

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Aber anstatt die amerikanischen Transporter zu vernichten, wollte der japanische Oberkommandierende Isoroku Yamamoto – wie bei Midway – die US-Flotte erneut zur alles entscheidenden Schlacht stellen – ein Projekt das mit einem ergebnislosen Unentschieden endete, bei dem beide Seiten einen Träger verloren. Was als schnelle Operation geplant war, wuchs sich zu einem blutigen Abnützungskrieg aus.

In ihm verloren die Amerikaner zeitweise sämtliche Flugzeugträger, die ihnen im Pazifik zur Verfügung standen. Auf japanischer Seite wurden zwei Schlachtschiffe versenkt. Doch die entscheidende Niederlage erlitt das Kaiserreich an Land: seine Überlegenheit im Dschungel, die es noch bei seinem Siegeszug in Malaya, Birma und Indonesien, auf den Philippinen und vor Singapur bewiesen hatte, war dahin. Die Marines zeigten sich den kaiserlichen Soldaten mehr als gewachsen.

In den aufreibenden Dschungelkämpfen auf Guadalcanal lernten die Amerikaner, sich im Dschungel zu bewegen. Den Kampf Mann gegen Mann ebenso wie das Überleben im mörderischen Klima. Dabei litten beide Seiten unter dramatischen Versorgungsschwierigkeiten. Während sich die Marines auf ihren Flughafen stützten, transportierten schnelle Zerstörer den japanischen Nachschub. Die Lieferungen mit dem sogenannten "Tokio-Express" erwiesen sich allerdings als höchst anfällig, überließ man es doch den Wellen, sie an Land zu treiben.

Der legendäre Navajo-Code

Aber die Amerikaner entwickelten schneller Strategien, die vielfältigen Probleme zu überwinden. Speziell geschulte und ausgerüstete Bautrupps schufen eine passable Infrastruktur. Ausrüstung und Taktik wurden schnell dem Dschungelkrieg angepasst.

Schließlich wurde 1942 für die Marines der legendäre Navajo-Code entwickelt. Dafür kamen ausschließlich Funker vom Volk der Navajo zum Einsatz, deren Sprache zum einen mit keiner Sprache Europas oder Asiens verwandt ist, zum anderen bis dahin so wenig erforscht war, dass ihre Verschlüsselung bis zum Ende des Krieges nicht durchbrochen werden konnte.

Als die japanische Führung endlich die Dimensionen des amerikanischen Engagements erkannt hatte, war es zu spät. Zwar wurden noch Tausende Soldaten Richtung Guadalcanal in Marsch gesetzt. Aber viele gingen bereits mit den Schiffen unter, die von der US-Navy abgefangen wurden. Die übrigen erreichte der Nachschub nicht mehr. Die Zahlen von 30.000 japanischen 6000 amerikanischen Toten, Verwundeten und Vermissten sprechen eine deutliche Sprache.

Einbruch in den Verteidigungsgürtel

Vordergründig hielten sich die Verluste zur See in mehreren großen Schlachten zwar ungefähr die Waage. Im Gegensatz zu Japan aber waren die USA in der Lage, umgehend neue Träger, Schlachtschiffe, Kreuzer und vor allem auch Transporter in Dienst zu stellen.

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Außerdem besaßen die US-Schiffe mit dem Radar nun auch ein Mittel, das ihre anfängliche Unterlegenheit im Nachkampf mehr als ausglich. Entscheidend wurden vor allem die japanischen Ausfälle an geübten Piloten, von denen sich die Flottenträger des Kaisers nicht mehr erholen sollten und die bald zur Entwicklung der Kamikaze-Taktik führten.

Immerhin gelang es den Japanern, ihre verbliebenen Truppen – von den Marines unbemerkt – bis Ende Januar 1943 zu evakuieren – später endeten sie in der Regel in Selbstmord-Angriffen. Doch da hatte sich die globale Kriegslage schon deutlich verändert.

Rommel war in Nordafrika auf dem Rückzug, vor Stalingrad starb Hitlers 6. Armee. Ohne die "Germany first"-Strategie in Frage zu stellen, konnten die US-Kommandeure im Pazifik nach dem Einbruch in den japanischen Verteidigungsgürtel daran gehen, neue Inseln in Richtung Philippinen ins Visier zu nehmen. Das Werkzeug hatten sie sich auf Guadalcanal geschaffen: das United States Marine Corps.

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Author: Mrs. Angelic Larkin

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